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		 Birger Forell  | 
		 
		
			Birger Forell war ein 
			schwedischer evangelischer Pfarrer. Er setzte sich für Flüchtlinge, 
			Verfolgte, Vertriebene und Kriegsgefangene während des Zweiten 
			Weltkriegs und danach ein.  Geboren: 27. September 1893, 
			Söderhamn, Schweden Gestorben: 4. Juli 1958, Borås, Schweden | 
		 
		
		
		Sundéen Biographie zu Birger Forell  in Planung, 
		wir merken ihre Anfrage vor und informieren Sie sobald diese Biographie 
		verfügbar ist 
		
		
		
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		Aus: Deutsches 
		Pfarrerblatt - Heft: 1/2019
  Von: Klaus 
		Loscher
  Im vergangenen Jahr waren es 125 Jahre, seit Birger 
		Forell geboren wurde. Als »Vater der Kriegsgefangenen und Flüchtlinge« 
		ist Birger Forell bis heute bekannt. Am 22. und 23. September 2018 
		beging die Caroli-Gemeinde Borås in Südschweden mit verschiedenen 
		Kulturaktivitäten in Zusammenarbeit zwischen der Stadt Borås, dem Bistum 
		Skara, der Hochschule Borås sowie anderen Kirchen und deutschen 
		Organisationen dieses Jubiläum ihres einstigen Hauptpastors. Klaus 
		Loscher hat die Feierlichkeiten besucht.
  Das Jubiläum, das die 
		südschwedische Gemeinde Borås zu Ehren des 125. Geburtstags ihres 
		ehemaligen Hauptpastors Birger Forell im September 2018 feierte, hatte 
		der jetzige Hauptpastor Stefan Hiller seit 2016 vorausschauend geplant. 
		Zwei Hauptvorträge, die im Audimax der Hochschule Borås einem 
		interessiert lauschenden Publikum in simultaner Übersetzung geboten 
		wurden, beschäftigten sich näher mit dem Lebenswerk Forells. Den Anfang 
		machte der Schwede Dr. Johan Sundéen. Er bezeichnete Forell als dritten 
		großen Schweden neben Folke Graf Bernadotte und Dag Hammarskjöld. 
		Sundéen, Historiker an der Universität Borås, arbeitet seit Jahren am 
		Lebenswerk Forells und wird in Kürze seine Biographie über diesen großen 
		und doch so bescheidenen Menschenfreund abschließen können. Für seine 
		langjährigen Forschungsarbeiten wurde ihm ein Award in einer Feierstunde 
		überreicht. Den zweiten Vortrag hielt der Verfasser selbst zu dem Thema 
		»Birger Forells Gründung der Theologischen Schule im Norton Camp und 
		seine Betreuung der deutschen Kriegsgefangenen in England (1944 bis 
		1948)«.
  Forells soziale Taten in verschiedenen Bereichen lassen 
		sich für Sundéen in drei Kategorien gliedern: 1. Forells Information als 
		Pfarrer der Svenska kyrkan in Berlin: 13 Jahre hindurch hat er das freie 
		Europa über die NS-Zeit in Deutschland und die Wirklichkeit des Dritten 
		Reiches unterrichtet. 2. Forells Arbeit mit den deutschen 
		Kriegsgefangenen im englischen Empire. 3. Forells humanitäre Hilfe für 
		das große Not leidende Deutschland.
  In der Schule Rudolf Ottos 
		 Forell wurde am 27. September 1893 in Söderhamn geboren. Sein Vater 
		war Kutscher, die Mutter Näherin. Nach dem Besuch der Handelsschule in 
		Karlsstad, arbeitete er zunächst als Lehrer. 1915 bestand er das Abitur 
		als Externer und trat in die Theologische Fakultät der Universität 
		Uppsala ein. 1919 legte er hier das Erste Theologische Examen ab. 
		 Im gleichen Jahr durfte er zum Weiterstudium nach Deutschland 
		reisen, und zwar nach Marburg. Hier zog ihn vor allem der 
		Religionswissenschaftler Rudolf Otto mit seinem theologischen Bestseller 
		»Das Heilige« in seinen Bann. Durch dieses Werk fand der junge Forell zu 
		seiner eigentlichen Berufung, die bei ihm eine 
		Persönlichkeitsveränderung bewirkte. Der in sich gekehrte Forell wurde 
		zu einem Freund der Menschen, ganz gleich welcher Religion und welchen 
		Standes, geprägt von Toleranz und Güte.
  Zunächst aber legte er 
		1921 in Schweden das Zweite Theologische Examen ab, wurde zum Pfarrer 
		ordiniert und als Seemannspfarrer in Rotterdam eingesetzt. Hier 
		heiratete er Calise Strindberg, die ihm drei Söhne gebar. 1926 erfolgte 
		seine Versetzung in eine ländliche Gemeinde Mittelschwedens. Kaum aber 
		hatte er dieses Gemeindepfarramt angetreten, als ihn sein Marburger 
		Professor Rudolf Otto (gest. bereits 1937) aus seiner Abgeschiedenheit 
		holte. Als sein Assistent unternahm er 1927 eine Forschungsreise durch 
		Indien. Sie führte ihn unter anderem zu einer eindrucksvollen Begegnung 
		mit Mahatma Gandhi. Die Reise hatte das Ziel, »Verbindungen mit 
		Bekennern fremder Religionen für eine organisierte Zusammenarbeit in den 
		Lebensfragen der Menschheit aufzunehmen«.
  Vision eines vereinten 
		Europa
  Im Jahr 1929 wurde Birger Forell Legationspfarrer an der 
		schwedischen Victoria-Gemeinde in Berlin. Durch Berichte und Artikel in 
		den Zeitungen schilderte er seinen Landsleuten den Zustand in 
		Deutschland. Es gelang ihm, Seelsorge und Diakonie in der Praxis zu 
		verbinden. Forell sah immer den ganzen Menschen vor sich, ohne Rücksicht 
		auf Stand oder Beruf, der sowohl geistliche als auch materielle Hilfe 
		benötigte. Ein Abgeben dieser Verantwortung gab es für ihn nicht. 
		 Nach 13 Jahren Dienst in Berlin wurde Forell 1942 zum Hauptpastor 
		von Borås berufen. Sein Herz hing jedoch an einem vereinten Europa, 
		damit war er jedoch seiner Zeit weit voraus. So wusste er auch um das 
		Ganze: Sein Leitsatz auf der Grundlage von 1. Kor. 12,26 war immer der 
		Ökumene verpflichtet: Wenn ein Glied leidet, leiden alle! Etwa ab dieser 
		Zeit baute er auch lokale Netzwerke auf und gewann Freiwillige, die 
		mithalfen, etwa bei der Kleidersammlung. Er mietete hierzu in Borås ein 
		Lokal, in dem die gespendeten Kleider gewaschen werden konnten, ehe sie 
		an die Kriegsgefangenen weitergereicht wurden. Der Menschenfreund Forell 
		erkannte in der Masse der Heimkehrer an deren psychischer Verfassung 
		sogleich diejenigen, die aus der Sowjetunion kamen und stattete sie mit 
		neuer Bekleidung aus. Durch Forell erhielten die Menschen aber vor allem 
		ein Fenster, um auf die Welt zu schauen und zu sehen, was in Europa 
		alles zerschlagen wurde.
  Im September 1945 besuchte Forell von 
		England aus zum ersten Mal das zerstörte Deutschland. Erschüttert sah er 
		die unzähligen Ruinen in Aachen und Düsseldorf und zwei Tage später die 
		von Dortmund. Überall herrschte größte Wohnungsnot. Forell verfasste 
		über dieses Grauen einen Bericht von zehn Seiten. Er selbst handelte 
		sogleich und gründete zusammen mit seiner Frau Calise das »Borås-Komitee 
		für christliche Nachkriegshilfe«, das die Basis für Forells 
		Deutschlandhilfe wurde. Ihm wurde klar, dass Gott ihn berufen hatte, um 
		dem deutschen Volk zu helfen. Mit Vorträgen über die Lage in Deutschland 
		sowie in Predigten verdeutlichte er seinen schwedischen Landsleuten die 
		Notwendigkeit ihrer Unterstützung. Er kritisierte aber auch seine 
		abwartende schwedische Kirche, die nach seiner Meinung zu wenig 
		engagiert den Kampf gegen die Armut und das menschliche Elend anging. 
		Diese warf Forell ihrerseits vor, er sei zu sehr deutschfreundlich! 
		 Für Johan Sundéen besteht Forells schwedische Erbschaft darin, dass 
		der Prophet gemäß dem Bibelwort »nichts in seinem Vaterland gilt«. 
		Bereits 1960 hieß es von ihm im Ausland sinngemäß: »Wenn jemand 
		verdient, eine Legende zu sein, dann müsste es Birger Forell sein. Er 
		aber liebte das Kameralicht nicht, wollte nicht im Licht stehen!« 1990 
		wurde er sogar als ein »schwedischer Schindler« bezeichnet.
  Tiefe 
		Liebe zu Deutschland
  Lordbishop Georg Bell of Chichester bat im 
		Jahre 1944 die englische Kirchenleitung um Forell zur Betreuung der 
		deutschen Kriegsgefangenen, der Prisoners of War (POWs). Bell hielt 
		Forell für den besten Mann zu diesem gewaltigen Dienst an den insgesamt 
		400.000 POWs in den 1400 Camps des britischen Empire. Er kannte Forell 
		von dessen hingebungsvoller Tätigkeit im Kirchenkampf in Berlin. Was mag 
		den schwedischen Erzbischof Erling Eidem bewogen haben, Bells Ansicht 
		beizupflichten, war Forell doch erst 1942 zum Hauptpastor von Borås 
		ernannt worden? Für Forell sprach zunächst seine tiefe Liebe zum 
		deutschen Volk, die während seiner Studienzeit in Tübingen und vor allem 
		in Marburg gewachsen ist und durch seinen nahezu 13-jährigen Dienst als 
		Legationspfarrer an der schwedischen Gesandtschaft im diplomatischen 
		Corps und an der schwedischen Victoriagemeinde in Berlin verstärkt 
		worden war. Außerdem beherrschte er die deutsche Sprache fließend. Am 3. 
		Februar 1944 gab Forell seinem Bischof Eidem eine zustimmende Antwort. 
		Auch Frau Calise bejahte: »Det är självklart, Du måste resa!« Forells 
		vier Boråser Amtsbrüder und das Domkapitel zu Skara befürworteten seinen 
		Weggang nach England ebenfalls und beurlaubten ihn für ein Jahr. Er 
		erhielt das Recht zugesichert, sein Amt in Borås danach wieder 
		übernehmen zu dürfen.
  Als Auftraggeber für Forells Dienst galt 
		die schwedische Organisation »Hjälp Krigets Offer, die 1939 von Magister 
		Hugo Cedergren, dem Schwager von Graf Folke Bernadotte gegründet worden 
		war. Ihr schlossen sich alle kirchlichen Organisationen in Schweden an. 
		Ihre Hauptaufgabe war, die Arbeit des Weltbundes der YMCA unter den 
		Kriegsgefangenen und Flüchtlingen zu fördern. Zu deren Betreuung wurden 
		sog. Kriegsgefangenensekretäre entsandt. Finanzieller Geldgeber der 
		gesamten Arbeit war die Weltkriegsgefangenenhilfe der YMCA und deren 
		Geschäftsführer, der Amerikaner John Barwick. Dieser hatte seinen Sitz 
		im Norton Camp, wo auch die Zentrale der YMCA für ganz England lag. 
		Barwick und Forell waren zwar ein ungleiches Gespann, das sich aber 
		prächtig ergänzte.
  Unmittelbar vor seiner Abreise nach England 
		erreichte ihn noch ein Brief von Erzbischof Eidem, in dem dieser Forell 
		seines Gebetes um Schutz und Segen versicherte und ihn bat: »Sei 
		vorsichtig in Deinen Aussprüchen, richte Dich bewußt und konsequent auf 
		die Kriegsgefangenenarbeit aus, aber bewahre im Übrigen kluge 
		Zurückhaltung, so daß man nichts in Deinen Haltungen als 
		anti-nationalsozialistische Propaganda auffassen kann. Deine Stellung 
		verlangt viel Takt und Überlegung …«
  Zwei bis drei Lagerbesuche 
		pro Woche
  Ende Mai 1944 beginnt Forells erster Englandaufenthalt, 
		der insgesamt neun Monate währte, in denen er eine Reihe von 
		Gefangenenlagern besuchte. Infolge der Kriegswende hatte sich die 
		Stimmung bei den POWs wesentlich verschlechtert. Forell hatte für sich 
		einen Reiseplan ausgearbeitet, demzufolge er jede Woche zwei bis drei 
		Lager besuchen und dort abwechselnd einen Tag Gottesdienste und einen 
		Tag Vorträge halten wollte. In einem ersten Vortrag habe er seine 
		»Indienfahrt mit dem deutschen Professor Otto« dargestellt. Weitere 
		Vorträge etwa über den von ihm sehr verehrten Albert Schweitzer hatten 
		sich angeschlossen. Die Arbeit unter den Gefangenen würde all seine Zeit 
		und Kraft beanspruchen. Es gelang ihm, in Ilse Friedeberg, in der 
		englischen Quäkerin Dorothy Buxton und vor allem in seinem treuen 
		Assistenten Herbert Hirschwald, einem emigrierten deutschen Juden, 
		wertvolle Mitarbeiter zu finden, die ihm beim oft langwierigen Sammeln 
		von Büchern in deutscher Sprache halfen.
  Die Entscheidung des 
		britischen Kriegsministeriums, das Lager 174 als Volksschullehrerlager 
		einzurichten, entsprach gar nicht den Plänen, die Forell mit den 
		Theologen hatte. Aber auch die britischen Kirchen zeigten sich bedeckt, 
		als John Barwick den Britischen Kirchenrat zur Übernahme eines Teils der 
		Verantwortung und der Kosten für Birger Forells Arbeit bewegen wollte. 
		Der bescheidene Forell schrieb am 29. Mai 1945 in sein Tagebuch: »Das 
		Ganze war eigentlich äußerst peinlich anzuhören. Es war gerade kein 
		Pfingstgeist, der durchs Zimmer wehte!« Am 30. Mai konnte er seinem 
		Tagebuch anvertrauen: »Am Aufgabenplan für 174 gearbeitet, das nun 
		definitiv als Lehrerlager bestimmt ist.«
  Wann Forells Wunsch nach 
		Gründung einer Theologischen Schule in Norton vom Kriegsministerium 
		schließlich doch noch in Erfüllung ging, erwähnt sein ansonsten 
		gründliches Tagebuch leider nicht. Im Juni 1945 fand eine Begegnung 
		Forells mit einer Gruppe von 29 Theologiestudenten in Camp 185 statt. 
		Forell machte ihnen klar, dass das Leben in Norton alles andere als eine 
		Idylle werden würde. Keiner solle meinen, zum »Brotpastor« ausgebildet 
		zu werden.
  Mit der Gründung einer Theologischen Schule verfolgte 
		Forell ein doppeltes Ziel: Zum einen wollte er Pfarrer für den Aufbau 
		einer geordneten Lagerseelsorge gewinnen, wozu er auch Laien heranzog. 
		Zum andern dachte er vorausschauend an die Ausbildung von 
		Theologiestudenten, die dann nach ihrer Repatriierung für den Dienst in 
		ihren Heimatkirchen zur Verfügung stehen konnten. In Norton, einem 
		kleinen Dorf im mittelenglischen Industrierevier in der Grafschaft 
		Nottinghamshire, wurde man schließlich fündig.
  Mit Glauben, nicht 
		mit Waffen
  Am Donnerstag, dem 14. Juni 1945, betrat Forell zum 
		ersten Mal das künftige Studienlager 174, das ihm sein schwedischer 
		Mitarbeiter Gustav Oegren bereits mit begeisterten Worten als eines der 
		»besten Lager« beschrieben hatte. Ich durfte Gustav Oegren noch 
		persönlich auf dem Gründungsjubiläum der Flüchtlingsstadt Espelkamp 
		kennenlernen und mehrmals mit ihm über Norton korrespondieren. Weniger 
		erfreut waren dagegen 500 Offiziere, die das Lager für die angehenden 
		Theologen und Pädagogen mit noch unbekanntem Ziel räumen mussten. Sie 
		hatten gerade eine Freilichtbühne errichtet und probten Schillers Drama 
		»Die Räuber«, als sie selbst ihres Lagers »beraubt« wurden.
  Nach 
		der Gründung des Studienlagers galt es für Forell, der das 
		uneingeschränkte Vertrauen der englischen Ministerien und Behörden 
		besaß, die leitenden Funktionen mit geeigneten Personen zu besetzen. In 
		allen Fällen war die Genehmigung durch das War Office die entscheidende 
		Voraussetzung. Fide non armis (Mit Glauben, nicht mit Waffen) stand über 
		dem Lagertor von Camp 174 in Norton, das damit zu einem Ort wurde, an 
		dem sich Sieger und Besiegte im Glauben einander annehmen und helfen 
		lassen sollten.
  Zu einem geordneten Lehrbetrieb gehörten 
		natürlich auch fähige Dozenten sowie motivierte Studenten. Nach längeren 
		Verhandlungen mit dem War Office und nach Ausschaltung mancher 
		Missverständnisse konnte Birger Forell die ihm als qualifiziert 
		erscheinenden Dozenten und Studienleiter der beiden Schulen einsetzen. 
		Zwischen dem ersten Vorlesungstag an der Theologischen Schule, dem 17. 
		August 1945, und dem Abschiedsabend am 12. April 1948 lagen insgesamt 
		sechs Semester, von denen die ersten drei noch als Trimester gehalten 
		wurden.
  Die theologische Kapazität im ersten Semester war bis zu 
		seiner frühen Repatriierung Ende 1945 Hellmuth Frey, der Dozent für AT. 
		Als Vertreter einer pneumatischen Exegese schöpfte er seine Kraft aus 
		gelebter Spiritualität und zog die Studenten mit seinen Vorlesungen und 
		Bibelstunden in seinen Bann. Forell hielt Frey für den geistlich 
		stärksten unter den Norton-Dozenten, obwohl er auf ihn schüchtern 
		wirkte. In der Blütezeit der Theologischen Schule bestimmten 
		hauptsächlich Gerhard Friedrich sowie Ernst Dammann, Wilhelm Schwab und 
		Wilhelm Burkert Geist und Qualität des Studienbetriebs. Bei den 
		Studienanfängern lag der Schwerpunkt der Arbeit auf dem Erlernen der 
		alten Sprachen Griechisch, Hebräisch und Latein sowie auf den biblischen 
		Grundfächern samt Kirchengeschichte.
  Theologiestudium auf 
		universitärem Niveau
  Als das Vorlesungsverzeichnis für Syst. 
		Theologie kaum noch suffizient war, fanden sich die drei Gastdozenten 
		aus Skandinavien, Pfarrer Bjarne Skard aus Oslo, der spätere norwegische 
		Bischof und schwedische Prof. Anders Nygren aus Lund sowie der dänische 
		Prof. Niels Hansen Søe aus Kopenhagen uneigennützig bereit, jeweils 
		ganze Vorlesungsreihen von 24 oder 48 Stunden zu halten, die von nahezu 
		allen Theologiestudenten besucht wurden. An dieser Stelle soll ein sehr 
		aufschlussreiches Gutachten von Prof. Nygren zitiert werden, das 
		zugleich Aufschluss über den wissenschaftlichen Stand der Theologischen 
		Schule im Norton Kamp geben kann:
  »Im April 1947 habe ich an der 
		Theologischen Schule in Norton Camp 2 Vorlesungsreihen (1. über den 
		Römerbrief; 2. über Dogmatik II) von zusammen 48 Stunden gehalten. Durch 
		mehrere öffentliche Diskussionen über das in den Vorlesungen Behandelte 
		und durch persönliches Zusammensein mit den Studenten habe ich mir eine 
		genaue Auffassung über die Höhenlage der hiesigen Studien verschaffen 
		können und will als meinen bestimmten Eindruck aussprechen, daß das 
		Studium hier auf universitätsmäßige Weise getrieben wird und daß der 
		Ausbildungsstand dieselbe Höhenlage hat wie die theologische Ausbildung 
		in Schweden oder Deutschland. Die Arbeit hier hat mir große Freude 
		gemacht, und ich werde immer mit großer Dankbarkeit an diese drei Wochen 
		in Norton Camp zurückdenken. Norton, den 29. April 1947 
		[Handschriftlich] Anders Nygren«
  Anerkannte ausländische 
		Vorausbildung
  Bereits im Oktober 1945 ermächtigte der Berliner 
		Bischof und spätere Ratsvorsitzende der EKD Otto Dibelius die 
		Studienleitung der Theologischen Schule, zur Durchführung und Abnahme 
		ihrer Prüfungen eine Prüfungskommission zu bilden. Auslandspfarrer 
		Julius Rieger wurde vom Rat der EKD zum Dekan ernannt mit der 
		geistlichen Aufsicht über sämtliche Kriegsgefangenenlager in 
		Großbritannien. Außerdem erhielt Rieger besondere Vollmachten zur 
		Abnahme von Prüfungen im Studienlager Norton. POWs ohne Reifezeugnis 
		oder mit Notabitur wurde die Möglichkeit eingeräumt, im Norton Camp eine 
		Ergänzungsprüfung abzulegen oder in den dortigen Abiturkursen gar die 
		Reifeprüfung nachzuholen. Sämtliche Zeugnisse wurden in Deutschland 
		anerkannt, und zwar die der Reife- und Ergänzungsprüfungen durch die 
		Schulbehörde in Hamburg aufgrund eines mehrwöchigen Besuches von 
		Oberschulrat Walther Merck, dem Bevollmächtigten für das Erziehungswesen 
		in der Britischen Zone. Die Zeugnisse über die theologischen Examina 
		fanden durch die Zentralstelle für die Begutachtung ausländischer 
		Vorbildungsnachweise in Göttingen ihre Anerkennung. Außerdem wurden hier 
		die an der Theologischen Schule belegten Semester bestätigt und bei 
		einer Umimmatrikulation an einer deutschen Fakultät angerechnet.
  
		Eine weitere wichtige Disziplin im Ausbildungsangebot der Theologischen 
		Schule war die Diakonen- und Laienschulung, für die ab 
		Eröffnungssemester 1945 gesonderte Ausbildungskurse angeboten wurden. Im 
		Oktober 1947 wurde ein eigenständiger Jugendleiterkursus des CVJM unter 
		der Leitung von Pfarrer Werner Jentsch eröffnet. Parallel dazu lief ein 
		katholischer Jugendleiterkursus, betreut von Benediktinerpater Oskar 
		Wahler.
  Die Theologische Schule war auch für die religiöse 
		Erziehung an der Pädagogischen Schule mitverantwortlich. Der 
		Religionsunterricht, der in verschiedenen Klassen stattfand, wurde ab 
		Eröffnung der Pädagogischen Schule – ebenfalls wie die Theologische 
		Schule im August 1945 - bis zu ihrer Schließung im September 1947 von 
		Dozenten der Theologischen Schule erteilt.
  Brüderliche vita 
		communis
  Durch die Gefangennahme wurden viele POWs nicht nur 
		gedemütigt und beschämt, sondern sie sahen darin auch eine Chance, ihr 
		Leben neu zu überdenken. Außerdem bereiteten ihnen die Trennung von den 
		Angehörigen in der Heimat und die Ungewissheit über deren Schicksal 
		sowie die Nachrichten vom Verlust der ostdeutschen Gebiete und 
		Errichtung einer sowjetisch besetzten Zone große Sorgen. So war der 
		Wunsch nach geistlichem Zuspruch und seelsorgerlicher Begleitung in 
		einer brüderlichen vita communis dringend. Persönliche Gespräche mit den 
		Dozenten nahmen oft Beichtcharakter an. Auch Forell führte oft 
		stundenlange Einzelgespräche mit Studenten aus beiden Schulen und ebenso 
		mit Dozenten, die Angehörige in den Bombennächten verloren hatten und im 
		Weiterleben keinen Sinn mehr sehen konnten.
  Darüber hinaus diente 
		das Studienlager Norton auch anderen Gruppen als Ort der Sammlung und 
		Zurüstung. In der Lagergemeinde Norton herrschte aber nicht nur ein 
		reges geistliches, sondern auch ein vielfältiges kulturelles Leben. So 
		boten einige ausgezeichnete Kirchenmusiker ein reiches musikalisches 
		Angebot zur Ausgestaltung der Gottesdienste. Auf dem Gebiet der 
		weltlichen Musik traten mehrere Kreise hervor, in denen auch Angehörige 
		der Pädagogischen Schule mitwirkten. Den Leistungen in der Musik waren 
		die der Schauspielkunst ebenbürtig.
  Auch Sport wurde als 
		Ausgleich zum Studium gepflegt, vor allem Fußball, Leichtathletik, 
		Tischtennis, Faustball und sogar Boxen. Die Fußball-Lagermannschaft, 
		seit Mitte 1946 wurde ein Verein gegründet mit dem Kommandanten Major 
		Boughton als Präsidenten, bestand vor allem aus Pädagogen und wenigen 
		Theologen. Nach der Fraternisierung (Verbrüderung) Ende 1946 erwies sich 
		der Sport auch als Brücke zur englischen Zivilbevölkerung.
  
		Verbindungen zu Gemeinden und Kirchen
  Da es sich beim Norton Camp 
		um ein von Forell gegründetes Studienlager handelte, war die Versorgung 
		der POWs mit geeigneter Literatur von größter Wichtigkeit. Das wusste 
		auch der kluge Geschäftsmann Barwick, der mit Hilfe der YMCA in Luton 
		bei London eine Druckerei, die Dragon Press, erwerben konnte. Hier 
		sollen bis zur Schließung des Camps 174 im April 1948 etwa eine Million 
		Bücher gedruckt worden sein. Zudem entstand in Luton eine eigene 
		Taschenbuchreihe, die »Zaunkönig-Bücher«. Sie erschienen ebenfalls in 
		Millionenhöhe und zeigten auf dem Cover den kleinen listigen Vogel mit 
		einem Krönchen auf dem Kopf. Aus dem Norton Camp selbst ging eine 
		ausschließlich von POWs für POWs gestaltete Zeitschrift, der 
		»Monatsbrief« in alle Lager im englischen Empire.
  Wie stand es um 
		die Verbindung der Theologischen Schule nach außerhalb des Lagers? 
		Zuerst wurden Beziehungen zu deutschen Pfarrern geknüpft, die in den 
		deutschen Gemeinden in England Dienst taten. Die seit Dezember 1946 
		erlaubte Fraternisierung und die tatkräftige Hilfe des gläubigen 
		Kommandanten Major Jack Boughton gaben der Lagergemeinde die 
		Möglichkeit, Verbindung zur anglikanischen Nachbargemeinde 
		Cuckney-Norton aufzunehmen. Kirchliche Institutionen bahnten außerdem 
		Kontakte an, z.B. das Christian Student Movement und die Ökumenische 
		Kommission zur Pastoration der Kriegsgefangenen in Genf.
  Nach der 
		bereits erwähnten Aufhebung des Fraternisierungsverbotes im Dezember 
		1946 kam es zu vielen Begegnungen mit den POWs. Sowohl Privatpersonen, 
		zumeist aus Kreisen der Arbeiter, als auch Angehörige kleinerer 
		Denominationen, wie z.B. der Quäker und der Heilsarmee, luden die POWs 
		zu sich nach Hause oder in ihre Gemeinderäume ein. Mancher POW durfte 
		hierbei erleben, dass Herzensgüte und Menschlichkeit stärker als alle 
		nationalen Schranken waren.
  »Von diesem Lager ist viel Segen 
		ausgegangen«
  Am 12. April 1948 feierte die Theologische Schule im 
		Norton Camp ihren Abschluss nach knapp dreijähriger Existenz hinter 
		Stacheldraht. Es dauerte aber noch bis zum 22. Juni 1948, ehe die 
		Theologische Schule Norton durch ihren letzten Studienleiter, den 
		Alttestamentler und Hebraisten Ernst Dammann, vollständig aufgelöst 
		wurde. In seinem letzten Rundbrief von England aus rief Dammann alle 
		ehemaligen »Nortonen« dazu auf, miteinander weiterhin in Kontakt zu 
		bleiben.
  Eine geplante Weiterführung des Studienlagers im 
		Nachkriegsdeutschland, etwa in Espelkamp oder im ehemaligen Kloster 
		Möllenbeck bei Rinteln in Niedersachsen, konnte leider nicht realisiert 
		werden, nicht zuletzt auch aufgrund schwerfälliger bürokratischer 
		Überlegungen. Forells Grundsatz »schnelle Hilfe ist doppelte Hilfe« war 
		vielen unserer kirchlichen Stellen nicht geläufig. Seine »Nortonen« aus 
		beiden Schulen trafen sich aber alljährlich, zum letzten Mal 2010, im 
		Haus Hessenkopf bei Goslar, einem Heim der Braunschweigischen Kirche. In 
		einem erhebenden Abendmahlsgottesdienst wurde auch in großer Dankbarkeit 
		Birger Forells, des Gründers der Theologischen Schule im Norton Camp 
		gedacht. Alle waren sich einig: »Von diesem Lager ist viel Segen 
		ausgegangen«.
  Auf eine Besonderheit soll noch hingewiesen werden. 
		Das Studienlager Norton hatte insofern einen Sonderstatus, als hier 
		entgegen der Genfer Konvention Offiziere, Unteroffiziere und 
		Mannschaften zusammen untergebracht waren.
  Insgesamt war Forell 
		zur Kriegsgefangenenbetreuung dreimal jeweils für Monate in England. 
		Sein erster Aufenthalt zur Gründung der beiden Schulen im Norton Camp im 
		August 1945 nahm neun Monate in Anspruch. Daneben blieb aber seine 
		Hauptaufgabe, das unermüdliche Reisen von Lager zu Lager, zunächst ohne 
		Auto, oft ohne »ziviles« Nachtquartier in einer Gefangenenbaracke. Wir 
		dürfen aber nicht vergessen: Birger Forell hatte nach wie vor als 
		Hauptpastor auch eine große Gemeinde in Borås zusammen mit vier weiteren 
		Kollegen zu betreuen, die ihn ebenso wie seine Familie nur schwer 
		entbehren konnte. Trotz aller Strapazen, Entsagungen und Doppelbelastung 
		durch Pfarramt in Borås und Gefangenenbetreuung in England kümmerte er 
		sich ganz persönlich als treuer »Vater« um jeden der ihm anvertrauten 
		Kriegsgefangenen und behandelte diesen so, als sei er sein eigener Sohn! 
		 Ein »Brückenbauer«
  Der Schwede verstand sich auch als 
		»Brückenbauer« zwischen dem jeweiligen Lagerkommandanten und dessen 
		Gefangenen. »Alle Deutschen zwischen 12 und 60 Jahren müssen erschossen 
		werden, sonst gibt es keinen Frieden in der Welt!«, erklärte ihm einmal 
		ein englischer Lagerkommandant. »Und was würde Ihre Mutter dazu sagen?«, 
		warf der Schwede ein. »Sie ist nicht meiner Meinung!«, entgegnete 
		lächelnd der Engländer. Am Schluss bedankte er sich für die 
		»interessante und lehrreiche Stunde«.
  Birger Forell kam nie mit 
		leeren Händen in die Lager. Er brachte Schreibpapier, Bibeln, Fußbälle 
		und Musikinstrumente mit. Und immer war sein dickes Notizbuch zur Hand, 
		um Wünsche, Grüße, auch Beschwerden seiner Schutzbefohlenen einzutragen 
		und nach Möglichkeit zu erfüllen.
  Nach seiner ersten Reise in das 
		zerstörte Deutschland, bereits im September 1945, schrieb er in sein 
		Tagebuch: »Es ist unmöglich, Deutschland noch länger hilf- und steuerlos 
		zu lassen, ohne eine Katastrophe heraufzubeschwören. Die Not der 
		Deutschen bedeutet einen der größten Anrufe, der je an die christlichen 
		Kirchen der Welt ergangen ist.« So wächst Forell eine neue Aufgabe zu: 
		Aus dem »Vater der Kriegsgefangenen« wird jetzt ein Helfer aller in Not 
		befindlichen Deutschen.
  Auf die Anfrage einer schwedischen 
		Journalistin nach seiner Arbeit an den Flüchtlingen antwortete Forell: 
		»Es muss sehr stark betont werden, dass die Flüchtlingsfrage nicht nur 
		eine materielle ist, sondern vor allem ein seelsorgerliches Problem. Ich 
		könnte über Flüchtlingsschicksale berichten, die so grausam sind, dass 
		ein Durchschnittsschwede es kaum fassen wird, wie solche Menschen noch 
		weiter leben können. Darum sah ich mich genötigt, meinen sicheren 
		Gemeindedienst in Schweden aufzugeben, um wenigstens einigen aus der 
		Schar der Flüchtlinge zu helfen, mit sich und ihrem Lebensschicksal 
		fertig zu werden.«
  Im Dienst für Gott und für seine Mitmenschen 
		 In seiner pausenlosen Reisetätigkeit zwischen England, Deutschland 
		und Schweden hatte er einst in seiner Caroli-Gemeinde Borås das »Comitee 
		für Christliche Nachkriegshilfe« gegründet. Allein durch die Bürger 
		dieser Stadt floss jahrelang ein ununterbrochener Strom an Hilfe in die 
		Flüchtlingslager nach Deutschland. So wurden im Lauf der Jahre 300.000 
		schwedische Kronen und 350 Tonnen Lebensmittel und Kleidungsstücke 
		gesammelt und nach Deutschland gebracht.
  Forells Entschlossenheit 
		ist auch die Gründung der Stadt Espelkamp 1948 für Flüchtlinge und 
		zurückkehrende Kriegsgefangene zu danken. So trug er zum Aufbau eines 
		neuen Deutschland bei. Dabei wollte er die christlichen Werte wieder 
		fördern, die in Nazideutschland vielfach unterdrückt wurden. Stets 
		wollte er seinen Dienst als »Hilfe zur Selbsthilfe« verstanden wissen. 
		Bereits 1947, in den ersten Verhandlungen zur Gründung Espelkamps, sagte 
		er sinngemäß: Die Zeit ist gekommen, nicht nur wie bisher für Kleider 
		und Schuhe, sondern auch für eine Ansiedlung industrieller Betriebe. Er 
		wollte seinen Einsatz als Dienst für Gott und für seine Mitmenschen 
		verstanden wissen.
  Am 4. Juli 1958 ist Birger Forell im 
		Krankenhaus in Borås an den Folgen eines Herzinfarktes gestorben. 
		Trauerfeiern fanden in der Caroli-Kirche in Borås, Espelkamp und in 
		Onsala statt, wo er auch begraben wurde. Die Welt war um einen 
		Menschenfreund ärmer geworden.
  Armutszeugnis
  Birger 
		Forell hatte einst mit Dr. Emil Weerts die Deutsch-Schwedische 
		Flüchtlingshilfe gegründet. Diese wurde zwei Jahre nach seinem Tod 
		aufgelöst. Dafür gründete die EKD 1960 eine Birger-Forell-Stiftung e.V. 
		mit Sitz in Bonn und mit einer Geschäftsstelle in Wehrheim/Taunus, die 
		Forells Lebenswerk an vertriebenen Bauernfamilien und Spätaussiedlern, 
		damals vornehmlich aus der Sowjetunion, fortsetzen sollte. Ab 1994 etwa 
		begann dann »Der Kampf ums Überleben«, schreibt Wolfgang Bühnemann, der 
		letzte Geschäftsführer und Liquidator der Stiftung, in: »Dokumentation 
		einer Hilfe zur Selbsthilfe. Deutsch-Schwedische Flüchtlingshilfe e.V. 
		und Birger Forell-Stiftung e.V. 1953-2000« (Bad Homburg v. d. Höhe 
		2002).
  War es aber ein wirklicher Kampf, der da im Jahre 2000 
		auslief? In seinem Vorwort deutet Bühnemann eine Begründung für die 
		Beendigung dieser edlen Stiftung an: »Die Zeiten haben sich grundlegend 
		geändert. Die heutige Generation hat mit den Schicksalen der Menschen 
		der Kriegs- und Nachkriegszeit nicht mehr viel zu tun, sie hat andere 
		Probleme und neue Idole.«
  Ich halte diese Begründung Bühnemanns 
		für nicht ausreichend. M.E. engagieren sich auch heute noch viele 
		Jugendliche, etwa in der Pflege von Kriegsgräbern oder in Aktivitäten 
		für caritative und soziale Einrichtungen. Angesichts der heutigen nach 
		wie vor ungelösten Migrationsproblematik wären die Dienste der einstmals 
		so segensreichen und hochherzigen Birger-Forell-Stiftung nach wie vor 
		dringend notwendig. Deren Vorstand und Kuratorium, durchweg hochrangige 
		Persönlichkeiten, als auch vornehmlich die EKD selbst, haben sich mit 
		der Einstellung dieser Stiftung im Jahre 2000 ein großes Armutszeugnis 
		ausgestellt.
  Die heutige Frage ist doch vielmehr die: Wie würde 
		sich Birger Forell selbst angesichts unserer gegenwärtigen 
		Migrationsproblematik verhalten? Er wäre sich seiner Berufung und seines 
		Auftrags durch Gott gerade auch für die verfolgten Flüchtlinge treu 
		geblieben. Er hätte dazu seine Gnadengabe zur Versöhnung zwischen 
		verfeindeten Völkern beherzt eingesetzt und hätte bei deren obersten 
		Repräsentanten, den Politikern, angeklopft und vermittelt. Pastor Claus 
		von Aderkas, ein enger Freund Forells, hat es beim Abschied am Sarge 
		Forells treffend wiedergegeben: »Gott beruft sich seine Werkzeuge und 
		Haushalter und Er rüstet sie aus mit der Kraft aus der Höhe. Er hat 
		Birger Forell in besonderer Weise begnadet und mit einem so warmen 
		Herzen für alle notleidenden, vor der Welt entrechteten und verachteten 
		Menschen, mit praktischem Können und großer Tatkraft. In dieser 
		Beauftragung durch Gott konnte er sich hinwegsetzen über menschliche 
		Mauern und Schranken von Zuständigkeiten, Gesetzen und Paragraphen und 
		so zum Botschafter der mancherlei Gnade Gottes unter uns werden. Das gab 
		ihm die Freiheit vor den Menschen und hat ihn zu einem rechten Vater und 
		Helfer der Verfolgten und Gefangenen, der Flüchtlinge und Vertriebenen 
		werden lassen über Grenzen, Rassen und Sprachen hinweg.«
  Ein 
		großer Europäer
  Claus von Aderkas erinnerte auch an eine Episode, 
		die ihm Forell einst selbst erzählt hatte: »In einem Lager hatte er 
		während eines Gesprächs mit einigen Flüchtlingsbauern bemerkt, dass sich 
		eine kleine, schüchterne alte Frau mit Kopftuch zögernd näherte, klar 
		ersichtlich in Angst zu stören. Forell fragte, was sie auf dem Herzen 
		habe, und sie antwortete, dass sie nur wissen möchte, ob es wahr sei, 
		dass der schwedische Pastor seinen Dienst in Schweden verlassen habe, um 
		sich ganz der Hilfe für Flüchtlinge zu widmen. Als Forell bekräftigen 
		konnte, dass das der Fall war, faltete die alte Frau die Hände über 
		ihrer Schürze zusammen und sagte: »Dann hat Gott uns nicht vergessen.« 
		(aus: Espelkamper Nachrichten, August 1958)
  Birger Forell, dieser 
		überaus bescheidene Bote Jesu Christi, dem die Verleihung des 
		Bundesverdienstkreuzes fast verlegen machte, verschwieg, dass es 
		Tausende waren, denen er helfen konnte. Er sah »seine eigene Rolle als 
		die des Vermittlers, nicht des Leiters. Das gilt besonders für Gespräche 
		mit Behörden und militärischen Befehlshabern, und war ein wichtiger 
		Schlüssel für Fortschritte« (Gerhard Könemann, in: Der Boråser Pastor, 
		der eine deutsche Stadt gründete).
  Die Laudatio der deutschen 
		Bundespost, die ihm anlässlich seines 100. Geburtstages im Jahre 1993 
		eine Sonderbriefmarke mit der Aufschrift »Einer trage des anderen Last« 
		widmete, endet mit zwei kurzen Sätzen: »Forell ist ein großer Seelsorger 
		gewesen. Gleichzeitig dachte und handelte er über Grenzen hinweg als ein 
		großer Europäer.«
  Birger Forell soll uns unvergessen bleiben! 
		 Pfarrer i.R. StD a.D. Dr. Klaus Loscher, Jahrgang 1942, Mag. 
		theol. an der Universität Hamburg mit einer kirchensoziologischen Arbeit 
		über Einstellungen und Verhaltensweisen aktiver Sportler zur Volkskirche 
		(bei Prof. Hans-Rudolf Müller-Schwefe), Dr. theol. an der Augustana 
		Hochschule Neuendettelsau mit einer Arbeit zur Kriegsgefangenschaft (bei 
		Prof. Wolfgang Sommer), zuletzt von 1980 bis 2006 Fachbetreuer für 
		Religion am Wirtschaftswissenschaftlichen Gymnasium der Stadt Bayreuth. 
		 Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft: 1/2019 | 
		 
		
		
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		Klaus Loscher Studium und 
		Alltag hinter Stacheldraht 
  Neukirchener Verlag, 1997, 
		520 Seiten, mit 12 Abbildungen, kartoniert,  978-3-7887-1632-5  
		nicht mehr lieferbar | 
		
		Neukirchener Theologische 
		Dissertationen und Habilitationen Band 12
  
		Birger Forells Beitrag zum theologisch - 
		pädagogischen Lehrbetrieb im Norton Camp / England 1945-1948
 
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